Momente: Sehnsuchtsorte

"Der Sehnsuchtsort ist immer auch ein Ort, der wehtut. Die Sehnsucht als Sucht, nach der man sich sehnt, die man sucht, ohne hinzusehen, die man sieht, ohne sie zu suchen. Sehnsuchtsorte sind weniger reale als mentale Orte der Selbstvergewisserung: Wer noch spürt, hat nicht vergessen, wer sich erinnert, kennt seinen inneren Kompass. Die chronische Verklärung ist Teil des Konzepts und verdient keine Polemik, sondern bewusste Beachtung: Wie kann das Eis im Freibad zum Sehnsuchtsort werden, wie die Flasche Wein am Strand, wie der smaragdgrüne Fluss im Tessin, den man in Jugendjahren mit offenem Geist inhalierte. Die Erinnerung lässt das Herz schneller schlagen - zugleich, merkwürdig schwer wird es einem um die Brust. Was Sehnsuchtsorte eint, ist ihre Einfachheit, ja Banalität im Grunde. Getragen von der nostalgischen Illusion, etwas im Leben ließe sich festhalten und wiedererleben. Wenn man nur wollte, ja wenn man nur wollte." (Daniel Hadler)